Ab in die Wüste!

Die Welt ist ein Buch, von dem man nur die erste Seite gelesen hat, wenn man nur sein Land gesehen hat.

(Fougeret de Moubron, 1706 - 1760)


 Montag, 9. Juni - Freitag, 20. Juni 2014

Kurz vor meiner Rückreise nach Deutschland habe ich mit 27 weiteren Austauschschülern meiner Organisation eine Tour durch den Norden Chiles gemacht. Über eine Woche waren wir unterwegs und sind mit dem Bus quer durch die Atacamawüste gereist. Für mich ging es aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse hier im Süden sicherheitshalber schon einen Tag früher los, damit ich auf jeden Fall pünktlich zum Reisebeginn in Santiago war, denn wir haben hier bereits Glatteis und Schnee ist auch schon gefallen. Ich nahm als Einzige aus Patagonien an der Tour teil. Also musste ich wieder mal mit dem Bus nach Punta Arenas, dort übernachtete ich bei der Komiteeleiterin Pilar, und von dort am nächsten Morgen vier Stunden nach Santiago fliegen. In Santiago habe ich dann eine weitere Nacht bei einer jungen Betreuerin von AFS verbracht. Sie war ein Jahr in Japan und studiert japanische und englische Übersetzungen im vorletzten Semester.
Am Morgen bin ich sogar mit ihr erst zur Uni gegangen. Es war ganz interessant, aber viel verstanden habe ich nicht. Nur, dass man sich wirklich über jedes einzelne Wort Gedanken machen und übersetzen muss. Gegen Nachmittag hab ich mich dann mit den anderen Tourteilnehmern getroffen und nach einer kurzen Einführung sind wir dann alle in den Bus gestiegen, der uns 8 Tage lang mehr als 3.000 km kreuz und quer durch den Norden Chiles fahren würde.
Ein paar Leute kannte ich bereits von den AFS-Camps in Puerto Montt und Valdivia und habe sogar ein paar Austauschschüler wiedergetroffen, die ich vor knapp 1 Jahr auf dem Arrival-Camp in Santiago kennen gelernt hatte.


La Serena

Unser erstes Reiseziel war La Serena. Die Stadt liegt circa 6 Autostunden nördlich von Santiago. Doch aufgrund des starken, untypischen Regens und den dadurch entstehenden Staus auf den Straßen haben wir knapp 9 Stunden gebraucht und kamen erst gegen 2 h morgens in La Serena an. Dort wollten wir alle nur noch ins Hotel und schlafen, doch kaum hatten wir unser kleines Ferienhaus betreten, erwartete uns schon die nächste Überraschung: Durch das Dach, das den starken Regen nicht gewohnt war, tropfte Wasser und nicht nur der ganze Fußboden war nun feucht, sondern auch die Betten - jedenfalls zunächst erst mal die oberen Etagenbetten, während der Nacht dann leider auch die unteren. Ich schlief glücklicherweise in einem unteren Bett! Strom gab es auch nicht und im Dunkeln tasteten wir uns mühsam - unsere Handys als Taschenlampe nutzend - durchs Haus. Trotz aller Umstände schlief ich gut in der Nacht und am nächsten Morgen hatten wir sogar wieder warmes Wasser, so dass ich duschen gehen konnte. Als ich aus dem Bad kam, fragten mich meine Mitbewohnerinnen ganz aufgeregt, ob ich das temblor ("Erderütteln", "Mini-Erdbeben") auch gespürt hätte. Ich hatte das temblor natürlich nicht gespürt, ich stand ausgerechnet in dem Moment unter der Dusche! Ein Glück!

Den Vormittag haben wir dann genutzt, um uns ein bisschen Coquimbo anzuschauen, eine Stadt, die genau neben La Serena liegt. Das Wahrzeichen der Stadt ist ein riesiges Kreuz, das vor ca. 100 Jahren dort erbaut wurde. Man kann sogar hineingehen und oben hat man einen wirklich tollen Blick auf die Stadt, auf den Pazifik und auf die Anden.




Blick auf den Pazifik


Blick auf Coquimbo und die Anden im Hintergrund




Mit Valentina aus Österreich, Nina aus Finnland,
Maria aus Dänemark und Till aus Deutschland






Unten im Kreuz war auch eine kleine Kapelle eingebaut.
Überall standen auch nachgebaute Jesusstatuen.








Danach sind wir dann zum Mittagessen gefahren und da wir alle ja keinen Strom in der Nacht hatten, haben alle 30 Personen wie verrückt Steckdosen für die Handys gesucht. Zum Glück waren die Restaurantbesitzer sehr hilfsbereit, so dass ich mein Handy zum Beispiel in der Küche aufgeladen habe.
Danach ging es dann weitere 5 Stunden mit dem Bus nach Copiapó, dort wo 2010 die 33 Bergarbeiter verschüttet gewesen waren. Leider haben wir uns nicht die Stadt angeschaut, sondern sind nur ganz kurz zum Abendessen dort geblieben. Die Nacht haben wir im Bus verbracht, wir sind insgesamt 11 Stunden weiter nördlich bis nach Calama gefahren. Es war wirklich sehr unbequem im Bus zu schlafen. Nach dem Frühstück in Calama sind wir dann zu der "Geisterstadt" Chuquicamata gefahren. Dort befindet sich der weltweit größte Kupfertagebau der Welt. In Chuquicamata darf heute niemand mehr leben. Die Regierung hat vor ein paar Jahren beschlossen, dass es einfach zu gefährlich und gesundheitsschädlich ist, Menschen so nah an der Mine leben zu lassen. Die Mine zu besichtigen war dann sehr spannend. Überall standen Lagerhallen und große Maschinen und Gerüste herum, die Luft war unglaublich staubig und alles war mit einer dicken Dreckschicht überzogen. Eigentlich machte das ganze Minengelände eher einen ärmlichen Eindruck auf mich, alles wirkte so triste und braun. Doch der Kupferabbau dient mit als wichtigstes Exportmittel Chiles, weil Chile damit natürlich sehr viel Geld verdient.






Die Anden am Abend


mit Kensuke und Alice aus Japan, Kaew aus Thailand und
Lara aus Deutschland


Gruppenfoto


im Bus auf dem Weg zur Mine..
der trockenste Ort der Welt: die Atacama-Wüste


auf dem Weg von Caldera nach Chuquicamata:
nur braune, trockene Landschaft




Ein paar Häuser stehen noch von der heutigen Geisterstadt
Chuquicamata, in der heute keiner mehr leben darf


Der größte Kupfertagebau der Welt!
Leider war es so staubig, dass man kaum etwas sehen konnte


zum Schutz mussten wir Helme und orangefarbene
Sicherheitswesten tragen


Die Fabrik, in der das Kupfergestein dann verarbeitet wurde









San Pedro de Atacama

Von Chuquicamata war es dann auch nicht mehr weit bis San Pedro de Atacama, das Highlight unserer Reise. Der kleine Ort liegt mitten in der Atacamawüste und hat ca. 2.500 Einwohner und damit fast genauso viele Touristen. Die meisten Häuser des Örtchens sind aus Erde gebaut oder aus Kalk, so dass die ganze Stadt fast ausschließlich braun und weiß ist. Wir sind für 3 Nächte dort geblieben und es tat sooo gut, wieder ein eigenes, trockenes Bett zu haben!
Überall im Ort gibt es artesania zu kaufen, also handgefertigte Souvenirs, es gibt viele Restaurants und an fast jeder Ecke spielt eine kleine Musikgruppe folklorische Musik.
Am nächsten Morgen sind wir dann alle mit dem Fahrrad aufgebrochen und haben uns auf den Weg nach Valle de la Muerte ("Tal des Todes") gemacht. Dort wollten wir dann Sandboard ausprobieren. Der Weg dorthin war hügelig und steinig, aber aufregend war es schon. Valle de la Muerte ist eine Art riesiger Sandberg, und von oben kann man dann mit seinem Sandboard hinunter fahren. Sandboarden ist so ähnlich wie Snowboarden, nur halt im Sand.


Das Zentrum San Pedro de Atacama




Unsere Ferienwohnung in San Pedro de Atacama.
Dort habe ich mit vier anderen Mädchen zusammen gewohnt.




Diese Fahne ist die Flagge der Ureinwohner Chiles, wie uns
erklärt wurde. Und im Norden Chiles gibt es viele
Nachfahren

Gruppenfoto auf einem Felsen auf dem Weg zum
Sandboarding



Ausblicke auf dem Weg zu "Valle de la Muerte", wo wir
Sandboarding ausprobieren würden








In "Valle de la Muerte" (Tal des Todes) angekommen


Beim Sandboarding




Danach sind wir wieder mit dem Fahrrad zum Hotel zurückgefahren zum Mittagessen. Auf riesigen Fernsehern wurden immer die Länderspiele der Weltmeisterschaft angezeigt.
Den Nachmittag durften wir dann in San Pedro verbringen und wir hatten Zeit, noch Souvenirs und kleine Andenken zu kaufen oder sind einfach nur durch den kleinen Ort geschlendert. Am frühen Abend sind wir dann nach Valle de la Luna (Tal des Mondes) gefahren. Dort kann man nicht nur wunderschöne Sonnenuntergänge bewundern, sondern auch sehen, wie die Anden beim Untergang der Sonne ihre Farben verändern.
Das war wirklich ein ganz außergewöhnliches Naturschauspiel. Zuerst waren die Anden braun, dann rot, schließlich orange und sind dann von leicht rosa über lila bis schließlich dunkelblau gewechselt.
So etwas habe ich wirklich noch nie gesehen! Es war toll!!!


























Am nächsten Vormittag haben wir uns dann auf den Weg in die Lagune Chaxa gemacht. Dort konnten wir ein paar Flamingos beobachten und hatten einen tollen Blick auf die Berge, die sich in dem glasklaren Wasser gespiegelt haben.




















Auf dem Rückweg zum Hotel sind wir in einem kleinen Ort vorbei gekommen names Toconao.


Es gab zwei Lamas die man füttern konnte (ein Junge wurde
sogar angespuckt)


Genau an diesem Tag gab es einen kirchlichen Umzug
in dem kleinen Dorf








Am Nachmittag sind wir dann noch zu einer anderen Lagune gefahren, der Laguna Cejar, in der man auch baden konnte. Da es in der Wüste zwar tagsüber warm ist, auch im Winter, nachts aber sehr sehr kalt, war das Wasser der Lagune natürlich auch sehr kalt. Hinzu  kam, dass sie aus Salzwasser war, das heißt, man trieb beim Baden die ganze Zeit an der Wasseroberfläche. Obwohl es wirklich unglaublich kalt war und man nicht länger als 10 Minuten im Wasser bleiben konnte, war es schön. Zu den Duschen musste man danach 1 km zu Fuß laufen und leider gab es auch dort nur kaltes Wasser. Auf dem Weg trocknete das Wasser auf meiner Haut und zurück blieb eine weiße Salzkruste.











Da es unser letzter Abend in San Pedro war, hatten wir vor, etwas Besonderes zu machen. Am Abend kam eine Musikgruppe, die folklorische Musik gespielt hat und wir saßen alle gemütlich um ein Lagerfeuer herum. So ist es Tradition, wurde uns erklärt.
Hier ein Video zu folkloristischer Musik aus dem Norden Chiles mit Einflüssen aus Peru und Bolivien:


Am nächsten Morgen haben wir dann früh San Pedro de Atacama verlassen und sind wieder nach Süden gefahren. Wir haben fast den ganzen Tag im Bus verbracht und haben nur manchmal Halt gemacht.
Unterwegs haben wir dann an einem "Geisterdorf" angehalten, dass aus dem 18. Jahrhundert stammt. Dort wurde früher Salpeter gewonnen. Die Salpeterzeit in Chile war eine grausame Zeit, den Arbeitern und Familien ging es schlecht und die meisten waren sehr arm. Es sind sehr viele Kinder schon in jungen Jahren gestorben. 
Wir haben uns dort einen Friedhof aus dieser Zeit angeschaut. Ich persönlich fand ihn unglaublich traurig und hässlich. Es gibt keinerlei Blumen und auch sonst keine Farben dort. Der ganze Friedhof ist braun und trist. Klar, Blumen hätten ja keine Überlebenschance in der Wüste und Plastik- oder Papierblumen würden verbrennen. Gleich am Eingang stand ein Kindergrab, auf dem viele Spielsachen, Stofftiere und Puppen hingelegt wurden - meist von Autofahrern, die sich mit dieser kleinen Gabe Schutz für ihre Reise erhoffen. Die Stofftiere waren ausgeblichen von der Sonne und die Gesichter der Puppen waren von der Sonne verbrannt und schwarz. Es sah aus wie in einem Horrorfilm. Manche Gräber waren geöffnet, der Sarg lag manchmal leer und offen im Inneren da, manchmal konnte man auch noch die Gebeine sehen. Ein unheimlicher Ort. Ich war froh, als wir weiterfuhren.





Am Nachmittag haben wir dann noch mal Halt an der berühmten Hand der Atacamawüste gemacht. Das Kunstwerk wurde gebaut, um zu verdeutlichen, dass der Mensch aus der Erde geboren wird. In Natales wurde auch so eine Hand nachgebaut, allerdings viel kleiner.




High five


Caldera/Bahia Inglesa
Am Abend kamen wir dann in Caldera an, einer kleinen Stadt. Gewohnt haben wir jedoch in Bahia Inglesa, das genau nebenan liegt. Bahia Inglesa hat einen schönen Strand, ein paar Restaurants, Hotels und Wohnhäuser. Es gibt allerdings keine Geschäfte dort, so dass man immer nach Caldera zum Einkaufen fahren muss. 
Am nächsten Morgen sind wir alle zum Strand gegangen und haben Muscheln gesammelt und sind mit den Füßen ins Wasser gegangen. Um ganz zu baden fand ich es einfach viel zu kalt. 

Von dort aus haben wir dann den Rückweg nach La Serena/Coquimbo angetreten.














mit einem Moai. Diese großen Steinfiguren
stehen eigentlich auf der Osterinsel, die auch
zu Chile gehört


Rückweg nach La Serena/Coquimbo
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück sind wir nach Coquimbo gefahren und haben eine Katamarantour gemacht. Der Himmel war leider bewölkt, doch wenigstens regnete es nicht. Unser Ziel war die Isla de Lobos (Löweninsel), eine Steininsel im Pazifik vor der Küste Coquimbos, auf der Seelöwen, Pinguine und Möwen leben. 
Kaum hatten wir den ruhigen Hafen verlassen, fing das Boot heftig an zu schaukeln und mit den Wellen sich auf und ab zu bewegen. Es lag ein widerlicher Gestank nach Fisch und Algen in der Luft. Doch der Ausblick entschädigte alles. Uns wurde gesagt, dass manchmal sogar Delfine vom Boot aus zu sehen sind, so dass wir die ganze Zeit gebannt  auf den endlos scheinenden Ozean blickten. Leider haben wir nicht einen Delfin gesehen. Dafür aber viele andere Tiere, wie Möwen, Seelöwen und verschiedenste Vögel.





























Wieder an Land hatten wir noch ein paar Minuten, um den Fisch- und Souvenirmarkt zu besuchen. Das  Highlight waren aber die wilden Seehunde, die dort immer am Steinufer auf Fischreste warten. Der "Chef-Seelöwe" kam sogar die Steine hochgeklettert und setzte sich hinter die Metallabsperrung. 



Ich hatte einen Seelöwen noch nie so aus der Nähe gesehen und ich  muss sagen, Angst hatte ich schon. Bei dem Maul, den großen Zähnen, seinem dicken und maßigen Körper bekam ich eine Gänsehaut - und uns trennte nur ein dünner Metallzaun!
Schließlich kam ein Fischer mit einem Eimer voll Fischreste vorbei. Der Fischer erzählte uns, dass Willi, so hieß der Seelöwe, seit über 20 Jahren hier herkam und dass er ihn seit dem ersten Tag an fütterte. Der Mann behauptete sogar, Willi würde Küsschen beim Füttern geben. Das hielten wir alle für einen schlechten Scherz. Wer war denn so verrückt und würde seinen Kopf in die Nähe des wilden und unberechenbaren Tieres halten? Wenn Willi zubiss - das könnte tödlich enden!
Der Mann nahm also einen Fisch aus seinem Eimer und beugte sich mit dem Oberkörper über die Absperrung. Willi reckte seinen Kopf nach oben und kam so dem Fischer immer näher. Ich hatte den Atem angehalten und konnte fast nicht glauben, als der große, bullige und maßige Seelöwe dem Fischer wirklich und wahrhaftig ein Küsschen auf die Nase gab. Danach bekam er seinen Fisch. 
Der Mann erzählte uns, dass Willi treuer war als irgendein Freund, den er je gehabt hätte. Er meinte, er würde Willi alles erzählen, seine Probleme und Sorgen und seine schönsten Momente. Wenn er sich einsam fühlte, kam er zu Willi und der Fischer war fest überzeugt, dass Willi ihn verstehen konnte.


Ich hatte nur ein ganz klein bisschen Angst. Minimal!!! ;-)


Auch im Wasser tümmelten sich viele Seelöwen






Der dicke laute (!) Willi




und das ist der Mann, der sich Küsschen mit Willi gibt


auch einen Pelikan, der sich hinter den Zaun 
verirrt hatte, hat der Mann an Schnabel und
Flügel gepackt und wieder ins Wasser gesetzt






Dieses Erlebnis hat mich sehr beeindruckt. Es zeigte mir doch , dass auch wilde Tiere sehr zuneigungsvoll sein können, wenn man sich mit Geduld, Liebe und Vorsicht ihnen nähert. Und ich fand den Fischer ganz schön mutig. Er verdiente bestimmt nicht viel in seinem Beruf, das war eindeutig und vielleicht war er auch krank, so gebeugt und humpelig wie er ging. Doch er hatte einen ganz treuen und besonderen Freund und mit ihm eine Geschichte zu erzählen, die, glaube ich,  jedem ans Herz gehen würde.

Vincuna
Den Nachmittag haben wir dann in Vicuna verbracht, einer kleinen Stadt, in den Weinbergen gelegen. Dort wo der Pisco, ein Traubenschnaps und u.a. auch chilenisches Nationalgetränk, hergestellt wird. In Vincuna wurde auch Gabriela Mistral geboren, die erste Nobelpreisträgerin Südamerikas und Namensgeberin meiner Schule in Natales. 
In Vincuna haben wir uns erst mal das Spiel Chile gegen Spanien angesehen und als Chile schließlich gewonnen hatte, war auf den Straßen die Hölle los. Autos fuhren hupend durch die Straßen, alle Chilenen stürmten singend, lachend und vor Freude brüllend mit der Nationalfahne auf die Straße und wir Austauschschüler natürlich gleich mit. Es war ein tolles Erlebnis. 
Danach sind wir dann in das Gabriela Mistral Museum gegangen. Gabriela Mistral war Dichterin und Schriftstellerin, kam aus sehr armen Verhältnissen und hat mit 15 Jahren bereits als Lehrerin gearbeitet. Sie war eine sehr strenge Frau und wusste immer sehr genau, was sie wollte. Sie hat sich stark für die Frauenrechte eingesetzt und ist fast durch die ganze Welt gereist. Später wurde ihr der Nobelpreis in Literatur verliehen, als erster Mensch - noch dazu als erste Frau! - Südamrikas! 
Danach sind wir dann in eine Fabrik gefahren, in der der Pisco, der berühmte chilenische Traubenschnaps hergestellt wird. Probieren durften wir natürlich nicht, aber interessant war es schon zu sehen, wie aus den Trauben hochprozentiger Schnaps wird. 
Am Abend gab es dann das Highlight: Der Besuch der Sternwarte Mamalluca!
Die Sternwarte ist riesig und ist wichtiger Forschungsplatz in der Wissenschaft der Astronomie. Es gibt mehrere Sternwarten in der Atacamawüste Chiles. Der Hauptgrund ist, dass es fast das ganze Jahr nicht regnet, der Sternenhimmel meistens klar ist und es nicht viele Lichter von der Stadt gibt, die reflektierren können. 
Ich habe noch nie so viele Sterne am Himmel auf einmal gesehen! Wir hatten eine tolle Führung, uns wurde der Himmel erklärt, die verschiedenen Sternbilder, Sterne und Planeten. Durch ein Teleskop konnten wir Mars und Saturn sehen und uns verschiedene Sterne anschauen. 
Ich habe sehr viel erfahren über unser Sonnensystem und war tief beeindruckt nach dem Besuch. Die Sternwarte war auf jeden Fall ein ganz besonders großes Highlight auf unserer Reise gewesen.
Leider war es strengsten verboten Fotos zu machen, deshalb kann ich hier keine Fotos einstellen.

Unser letzter Abend hatte begonnen und wir fuhren wieder ins Hotel nach La Serena zurück.

Unser Hotel in La Serena - nun mit Strom und warmen
Wasser



In der Nacht sind wir noch an den Strand gegangen, der menschenleer und unendlich lang erschien. Man hatte einen tollen Blick auf das Ufer gegenüber, die Stadt Coquimbo. Alles wirkte so friedlich und ruhig, nur das gleichmäßige Wellenrauschen war zu hören. Barfuß sind wir dann am Strand spazieren gegangen, wobei uns einige Straßenhunde die ganze Zeit begleitet haben. Es fühlte sich an, als hätten wir tierische Leibwächter gehabt, die uns so treu waren und die uns immer mit etwas Abstand gefolgt oder vorgelaufen sind. Gefährlich sind die Straßenhunde nicht, sie beißen nicht und springen einen auch nicht an. Anfassen sollte man sie trotzdem nicht, denn mit größter Wahrscheinlichkeit sind alle Hunde krank. Mir tun sie sehr leid. Das einzige, was die Hunde bei den Menschen suchen ist Zuneigung und Aufmerksamkeit. Ich habe Hunde nie wirklich sehr gemocht, sie haben mir immer Angst gemacht, doch in Chile habe ich sogar ein wenig Herz für sie entwickelt.
Wehmütig und traurig waren wir glaube ich alle. Die Zeit war so schnell vergangen, doch im Rückblick hatten wir auch wahnsinnig viel gesehen. Für die meisten, wie für mich auch, ging es in 11 Tagen schon nach Hause, ins Heimatland. Jeder hatte auf dieser Fahrt neue Freunde gefunden und es machte mich traurig, wenn ich daran dachte, dass ich die meisten wahrscheinlich nie mehr wieder sehen werde. 
Wir erinnerten uns an die schönsten, lustigsten und peinlichsten Momente der Reise, an die erste Nacht ohne Strom und warmes Wasser, an das Fahrradfahren durch die Wüste und durch den Fluss, ans Sandboarding und an den Sand, der einem danach am ganzen Körper klebte, an die vielen vielen Kilometer die wir schlafend, quatschend, spielend und lachend im Bus verbracht hatten... 

Am nächsten Morgen sind wir schon sehr früh losgefahren und kamen nach sechs Stunden in Santiago an. Dort am Busbahnhof mussten wir uns alle voneinander verabschieden, was wirklich komisch war, weil es in den meisten Fällen ein Abschied für immer war. Aber auch das gehört zur Austauscherfahrung. Es ist merkwürdig, sich von einem Menschen zu verabschieden, von dem du weißt, ihn wahrscheinlich nie mehr wiederzusehen und der auf der anderen Seite der Welt zu Hause ist. 
Fast alle konnten mit dem Bus in ihre Städte fahren, nur ein Junge aus den USA und ich mussten fliegen, wobei ich von allen Wüstentour-Teilnehmern mit Abstand den weitesten Weg hatte. 

Als ich schließlich alleine im Flugzeug nach Punta Arenas saß, konnte ich nicht länger anhalten und musste einfach weinen. Dieses ganze Gefühls- und Gedanken-Wirrwarr in mir drin war so groß. In zwei Wochen würde ich wieder in meinen eigenen vier Wänden sein, in Deutschland. Dann wird mein Auslandsjahr vorbei sein. Ein Jahr! Einfach vorbei... Ich erschrak, wie schnell die Zeit doch vergangen war und konnte es fast gar nicht glauben, als mir wirklich bewusst wurde, dass ich seit 11 Monaten meine Familie nicht mehr real gesehen, umarmt oder gespürt habe. Das machte mich traurig. Und dann dachte ich daran, dass ich vielleicht nie mehr nach Chile zurückkehren würde. Es ist einfach so weit weg von Deutschland. Vielleicht würde ich auch meine Freunde und meine Gastfamilie, die mir in dem Jahr so ans Herz gewachsen waren, nie mehr wiedersehen. Ich hatte so gegensätzliche Gefühle: Freude und Trauer, Verzweiflung und Hoffnung, alles gleichzeitig und es tat gut, sie einfach mal rauszulassen...
Als ich in Punta Arenas landete, war ich dann wieder ganz ruhig und fühlte mich stark genug, meine letzten Tage zu genießen und den Abschied gut hinter mich bringen zu können...



1 Kommentar:

  1. Wow was für tolle Bilder und deine Berichte sind auch super. Als wäre man fast selbst dabei gewesen. Ich finde solche Blogs immer super interessant, da man als Touri im Land ja nicht so viel mitbekommt, bzw. nicht so authentisch. Nächstes Jahr mache ich auch eine Chile Rundreise und bin schon total aufgeregt. :)

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